Webex-Meetings, Online-Vorlesungen und chatten auf der Pinnwand – studieren hat 2020 viele neue Aspekte. Ein Erfahrungsbericht über ein Semester, das wir alle in Erinnerung behalten werden.

Es gibt ein Thema, das uns momentan alle beschäftigt: Corona. Während viele von uns in der Isolationszeit die Kleiderschränke ausgemistet haben, Bananenbrot gebacken und vielleicht ein bisschen mehr Sport gemacht haben als sonst, hat am 20. April das neue Semester angefangen – und das unter besonderen Umständen. Anstatt zu versuchen, den letzten Platz in der Uni-Bib zu bekommen, haben wir jetzt ganz andere Sorgen. Was ich mich aber gefragt habe: Wie machen das die Studenten, die gerade erst angefangen haben zu studieren und sich jetzt neben den üblichen Portalen zusätzlich noch mit neuen abfinden müssen? In diesem Artikel spreche ich mit Jana und Sophia, eine Studentin mit Nebenjob in der Gastronomie und eine Studentin im ersten Semester. Sie erzählen mir stellvertretend für viele Studenten über ihre Erfahrungen mit diesem besonderen Semester.

Keine Arbeit, kein Geld

Viele Studenten arbeiten neben ihrem Studium in der Gastronomie. Egal ob Kellner, Barkeeper oder Küchenhilfe, in den letzten Monaten gab es wenig zu arbeiten. Um zu erfahren, wie es diesen Studenten während der Zeit der geschlossenen Restaurants ging, redete ich Ende Mai mit Jana, einer Lehramtsstudentin im zweiten Semester, die in einem Café in der Gießener Innenstadt arbeitet. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon die ersten Lockerungen und die Gastronomien füllten sich langsam wieder. Doch das war lange nicht so: Für viele Woche blieben in Gießen die Cafés geschlossen. Und das bedeutete für die Mitarbeiter: Keine Arbeit – kein Geld. „Die Löhne von den Monaten davor wurden uns nicht bezahlt. Mein Chef versucht jetzt am Anfang so viel wie möglich zu arbeiten, damit er uns diese Löhne auszahlen kann.“, erklärte mir Jana. Lange wäre auch gar nicht klar gewesen, wann man wieder arbeiten könne. Zum Glück hat das Café überlebt, denn das sei eine ganz schön knappe Kiste gewesen, erzählt sie mir: „Mein Chef hat auch gesagt, eine Woche länger und er hätte wahrscheinlich alles hingeschmissen.“ Wäre das passiert, hätten einige Studenten ihren Job verloren.

Ein erstes Semester wie kein anderes

Aber auch für die Erstsemester kam Corona völlig ungelegen: Denn wie soll man sich so problemlos in den Unialltag einfinden, sich vielleicht sogar an eine neue Stadt gewöhnen und neue Kontakte knüpfen, wenn man von zuhause aus studiert? Aus Gesprächen mit Freunden weiß ich: Wir sind alle froh, dass wir momentan nicht im ersten Semester sind. Doch wie ist es, sich auf so eine Weise in das – vielleicht völlig neue – Leben als Student einzuleben? Wie kommt man mit der großen Menge an neuen Dingen zurecht?

Dafür rede ich – wie zu Coronazeiten üblich – per Telefon mit Sophia, die gerade erst nach Gießen gezogen ist, um hier Humanmedizin zu studieren. Bei der Frage, ob sie Bedenken bei dem Studienbeginn hatte oder überlegen musste, ob sie den Studienstart nicht doch verschieben sollte, verneint Sophia sofort: „Nein, Bedenken hatte ich überhaupt nicht. Ich bin aber auch in einer besonderen Situation, weil ich sieben Jahre auf einen Studienplatz gewartet hab.“ Natürlich stand dann eher eine andere Sorge im Raum: Was, wenn das Semester gar nicht stattfindet? Doch es kam anders: „Ich hatte auch schon von anderen Studenten gehört, dass sie das Semester verschieben und deshalb war ich mega froh, als die dann gesagt haben, dass sie alles online machen und es eine Alternative gibt zur Präsenzlehre.“ Seitdem überwiegt die Freude überhaupt studieren zu können über den Anstrengungen, die dieses Semester mit sich bringt. Trotzdem lief der Anfang etwas holprig: „Es war total kompliziert, weil ich keine Ahnung hatte, wo ich mich überall anmelden muss und was mir das überhaupt bringt. Ich war erstmal sehr verwirrt und wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.“ Zum Glück ist sie nicht ganz allein, mit einem Kollegen kann sie sich austauschen und manchmal auch ein bisschen beschweren.

Ein bedeutender Teil des Starts in das Studium ist durch Corona ebenfalls weg gefallen: Die Einführungswoche. „Vormittags haben wir Webex-Meetings gemacht um alle organisatorischen Dinge erklärt zubekommen. Abends hat man sich dann auch über ein Webex Meeting getroffen und dann konnte man halt ein Bier dabei trinken, bisschen quatschen und Montagsmaler spielen.“ Besonders spannend war das wohl nicht, aber die Mühe wurde trotzdem anerkannt.

Am meisten fehlt ihr – wie wahrscheinlich uns allen – der soziale Kontakt zu anderen Studenten und ein Alltag. Es fehlt einfach die klare Routine: Morgens aus dem Haus gehen und seinen Arbeitsplatz von seinem Zuhause trennen zu können. Denn so wird bei sinkender Motivation der Reiz immer größer, seine Arbeit aufs Sofa zu verlegen und wir wissen alle, dass das die Produktivität nicht gerade fördert. „Ich hänge so viel in meiner Wohnung und meinem Zimmer herum, das macht mich echt langsam verrückt.“, sagt Sophia lachend. Neue Freunde finden macht Corona momentan auch nicht gerade leicht: „Das war echt ein bisschen fies – oder ist es immer noch. Ich hab zum Glück einen Kollegen, der gleichzeitig mit mir angefangen hat. Ansonsten haben wir jetzt eine Lerngruppe begonnen und ich hab mich so sehr gefreut, die mal zu sehen. Wir haben uns so vor drei Wochen das erste Mal gesehen und da hab ich mich übelst gefreut – die kenne ich jetzt immerhin.“

Was sich zusammenfassen lässt: es wird besser. Das Semester neigt sich langsam dem Ende zu und trotz Angst um den Job und weniger Geld oder Schwierigkeiten, Anschluss bei seinen Kommilitonen zu finden, laufen andere Sachen jetzt umso besser. Gruppenarbeit über Videokonferenz und Präsentationen vor seinem Bildschirm zu halten, waren im April vielleicht noch undenkbar, jetzt völlig normal. Auch mit der Öffnung der Gastronomien hat sich wieder ein Stück Normalität breit gemacht und dass freut nicht nur die dort arbeitenden Studenten. Jana hat am Ende unseres Gesprächs gut zusammengefasst: „Ich finde die Menschen sehen wieder total glücklich aus, wenn sie durch die Stadt schlendern.“ Auch für Studenten im ersten Semester wie Sophia war vor allem der Anfang schwer. Doch auch sie konnte sich langsam an den neuen Alltag gewöhnen. Und eins ist sicher: Das ist ein Semester, das wir unter keinen Umständen vergessen werden.

Ana Paula Kah Acosta
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