Christoph Asche ist stellvertretender Chefredakteur beim Business Insider Deutschland, Dozent und ein Alumnus der Fachjournalistik Geschichte. Im Gespräch mit unserer Redakteurin Danielle spricht er über seinen Werdegang, die Zukunft des Journalismus und über legendäre Partys in seiner Studienzeit.

Danielle: Herr Asche, sprechen wir über die Fachjournalistik Geschichte im Allgemeinen. Wo sehen Sie den Wert eines solchen Fachbereichs? Warum sollte das jemand studieren bzw. warum ist das relevant?
Christoph Asche: Das ist eine gute Frage. Also fangen wir damit an, warum ich der Meinung bin, dass die Verbindung von Journalismus und Geschichte so wichtig ist: Ich glaube gerade den Menschen, die sich später für gesellschaftliche Debatten im Journalismus interessieren, sei es jetzt in der Politik beispielsweise oder bei anderen gesellschaftlichen Diskursen, hilft das Wissen um Geschichte, besonders bei der Reflexion von aktuellen Themen. Ich merke das auch immer wieder bei mir selbst: Besonders in der Politik gibt es Thematiken, bei denen man überrascht ist, wie viel man da aus dem Studium drüber weiß. So hilft der Studienganz ganz speziell, Dinge besser einordnen zu können. Von daher würde ich das allen empfehlen, die sich im Dunstkreis der Geschichte bewegen und später was mit Medien machen wollen.
Danielle: Einordnen ist eine Schlüsselqualifikation im Journalismus. Welche weiteren Schlüsselqualifikationen sollten Journalist*innen ihrer Meinung nach mitbringen?
Christoph Asche: Also die Schlüsselqualifikation, die ich im Journalismus für am wichtigsten halte, ist einzig und allein Neugier. Wenn man die nicht hat, kommt man meines Erachtens in diesem Berufsfeld nicht wirklich weit. Das ist der Ausgangspunkt, auf dem alles danach aufbaut: Ich recherchiere zu einem Thema, weil ich neugierig bin. Ich führe Interviews mit Menschen, die vielleicht sonst keine Öffentlichkeit haben, weil ich neugierig bin. Welche Rolle spielen Konzerne? Wie beeinflussen Politiker die öffentliche Meinung? All diese Sachen haben die Neugierde als Grundgerüst.
Danielle: Und in wie weit fühlten Sie sich dann durch ihr Studium vorbereitet?
Christoph Asche: Es gibt eine Sache, von der ich glaube, dass sie einen höheren Stellenwert in medienwissenschaftlichen und journalistischen Studiengängen haben sollte und das ist die Praxis. Mein Gefühl ist, dass das von vielen Instituten nicht richtig vorangetrieben wird – das geht in vielen Fällen oft verloren. Es gibt zwar Pflichtpraktika, das wirkt aber manchmal ein bisschen gestellt: Wenn man zum Beispiel mitbekommt, dass Kommilitonen dann in der PR-Abteilung der freiwilligen Feuerwehr Gießen ihre Praktika absolvieren, werde ich schon skeptisch. Wenn es dich interessiert, dann tue es, aber ich habe das Gefühl, dass den Studierenden die Möglichkeiten, die sie haben, nicht richtig offengelegt werden. Man kann nicht früh genug anfangen, als junge*r Journalist*in zu arbeiten und Erfahrungen zu sammeln.
Danielle: Wenn wir über Praxis sprechen, sollten wir auch über die journalistische Schreibe sprechen. Wie hat die Verbindung von Geschichtswissenschaft und Journalismus Sie in ihrer eigenen Schreibe beeinflusst?
Christoph Asche: Dinge wie das genaue, akkurate Schreiben prägen sich schon ein, obwohl ich sagen würde, dass das nicht nur etwas ist, was in diesem Studiengang vermittelt wird. Ich würde gar nicht so sehr davon ausgehen, dass mich das geprägt hat. Eher, dass viel von dem Stil, den ich heute anwende, wenn ich schreibe, sich eklatant von dem unterscheidet, was ich in der Uni abgeliefert habe. Wissenschaftliches Schreiben ist in vielen Fällen nicht vereinbar mit journalistischem Schreiben, denn die wissenschaftliche Schreibe ist oft schwer zugänglich, das ist ja genau das, was der Journalismus nicht möchte.
Danielle: Wenn wir die Zeit nun etwas zurückdrehen und sie an ihre Zeit an der JLU zurückdenken: Welche Uni-Veranstaltung ist Ihnen am meisten im Gedächtnis geblieben?
Christoph Asche (lacht): Das ist eine fiese Frage. Besonders gut gefallen haben mir immer die Schlauchpatys bei den Sportlern. Das hieß nicht Schlauchparty, weil da aus Schläuchen getrunken wurde, sondern weil die Partys in deren Institutsgang stattfand, der irgendwie Schlauch-Charakter hatte. Das waren legendäre Partys, bei denen man nicht fehlen durfte und wo dann auch mal ein halbes Bier zu viel getrunken wurde.
Danielle: Apropos halbes Bier zu viel – Welchen Tipp würden Sie Ihrem studentischen Selbst geben?
Christoph Asche: Noch mehr bei der Institutsführung darauf pochen, dass man mehr Dozierende aus der Praxis haben möchte. Das war und ist bis heute ein Wunsch, den ich oft mitbekommen habe bzw. auch als Dozent heute noch mitbekomme. Ich kann mich nur an zwei Veranstaltungen erinnern, bei denen wirklich Journalisten*innen da waren und das war so weit weg, von dem was ich selbst machen wollte, dass ich da wenig rausziehen konnte.
Danielle: Trotzdem haben Sie während des Studiums Erfahrungen sammeln können. Wie sah Ihr Werdegang nach dem Studium aus?
Christoph Asche: Ich habe schon während des Studiums für ein Lokalmedium gearbeitet und dann, nach der Abgabe meiner Magisterarbeit, meine Sachen gepackt und bin ein dreiviertel Jahr um die Welt gereist. Dann habe ich ein Volontariat bei der deutschen Ausgabe der Huffington Post begonnen. Dort habe ich viel im Bereich Politik gemacht, war wieder viel auf Reisen, besonders im Zuge der Flüchtlingsdebatte und bin danach eigentlich direkt stellverstretender Chefredakteur beim Business Insider Deutschland geworden. Man muss aber dazu sagen, dass ich bei der Huffington Post CvD (Chef vom Dienst) gewesen bin und für die inhaltliche und thematische Gestaltung der Seite zuständig war. Nicht dass das jetzt so rüberkommt, als wäre ich vom Volontariat direkt die Chefredaktion gesprungen (lacht).

Danielle: Das bedeutet, dass sie eigentlich direkt nach dem Studium in den Online-Bereich gegangen sind. Warum haben sie sich gerade diesen ausgesucht?
Christoph Asche: Ich habe schon während des Studiums für SPIEGEL ONLINE und einen Fußball-Blog gearbeitet, dementsprechend war das für mich die logische Konsequenz. Mein erstes Praktikum war bei der WZ (Westdeutschen Zeitung) im Printbereich, aber schon da war klar, dass das vom Vertriebsweg keine Zukunft haben wird. Es war keine bewusste Entscheidung, es hat sich durch die Entwicklung der Medien so ergeben.
Danielle: Sie sprechen von bewussten Entscheidungen. Entscheiden Sie sich doch bitte für drei Worte, die Ihren Beruf am besten beschreiben.
Christoph Asche: Aufregend, herausfordernd… ich müsste eigentlich stressig sagen, aber stressig ist nicht, das, was überwiegt. Erfüllend. Das ist es.
Danielle: Und was macht Ihnen an ihrem Job am meisten Spaß?
Christoph Asche: Es ist viel Teamwork. Ich hocke nicht den ganzen Tag in einem dunklen Büro und tippe dann da vor mich hin. Es ist vor allem das spontane Teamwork und, dass man morgens nicht wirklich weiß, wie nachmittags die Nachrichtenlage ist. Dann zu sehen, wie bestimmte Rädchen in einer Redaktion ineinandergreifen und wie eine ganze Redaktion auf bestimmte Nachrichtenlagen reagiert, ist für mich etwas, was nicht nur Spaß macht, sondern mich am Ende des Tages mit einem guten Gefühl nach Hause gehen lässt.
Danielle: Schließen wir den Bogen zum Anfang. Wie schätzen Sie die Chancen für junge Fachjournalistik-Studierende in der Medienbranche, besonders im Online-Bereich, ein?
Christoph Asche: Generell hat man durch das Studium eine sehr gute Ausbildung, bzw. sehr gutes Rüstzeug, um in der Medienwelt zu bestehen. Schnelle Reflexion, schnelles Denken und ein schnelles Einordnen, besonders durch die historische Komponente, werden hier gut vermittelt. Wenn dann schon früh die Motivation bei den Studierenden vorhanden ist, schnell in die Praxis reinzugehen und möglichst viele Praktika zu machen, haben Absolvent*innen gute Chancen, im Journalismus Erfolg zu haben.
Danielle: Sie haben gerade schon von der Übung durch Praktika gesprochen. Welchen Tipp haben Sie abschließend für angehende Journalst*innen, die selbst im Online-Bereich arbeiten möchten?
Christoph Asche: Schreiben Sie immer dann, wann es geht, egal worüber.
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