Der zähe Kampf der „Students for Future“ für eine nachhaltige Uni.

Australien brennt, die Korallenriffe sterben, Städte werden überflutet – der Weltschmerz ist groß. Viele überfordert das Gefühl, bei all diesen Katastrophen nichts bewirken zu können. Deswegen hilft es, erst einmal im eigenen Umfeld zu schauen, was zu verbessern ist. Dabei fällt bei vielen jungen Menschen in Gießen der Blick auf die Universität. Doch kann man die JLU dazu bringen, nachhaltiger zu werden? Die Gruppierung „Students for Future“ gibt ihr Bestes.

Die Students for Future (SFF), bestehend aus Studierenden an den Hochschulen Deutschlands, bezeichnen sich auf ihrer Website als Teil von „Fridays for Future“ und als „ebenso international, überparteilich, autonom und dezentral organisiert“.

Einer von ihnen ist Magnus Färber. Er ist 23 Jahre alt, studiert Erziehungs- und Politikwissenschaften und ist der inoffizielle Leader der SFF Gruppe in Gießen, die seit April 2019 besteht. Das Ziel von Fridays for Future, gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema Klimagerechtigkeit zu schaffen, vertritt Students for Future laut Magnus ebenfalls. Daher ist es für die Studenten ein besonderes Anliegen, das Thema an die Uni zu tragen. Dass die gesamtgesellschaftliche Aufmerksamkeit zur Klimakrise immer mehr ansteigt, zeigte auch die steigende Beteiligung von Studierenden und anderen Altersgruppen bei der FFF-Demonstration in Gießen am 29. November 2019. So zogen an diesem Tag laut der „Gießener Allgemeine“ rund 1000 Menschen aller Altersgruppen durch die Stadt.

Foto: Jonas Brehm
Bei der letzten Demo waren alle Altersgruppen vertreten. (Foto: Jonas Brehm)

Die Ortsgruppe der SFF in Gießen befindet sich noch in der Gründungsphase und besteht aus ca. 5-10 festen Mitgliedern, die sich daneben größtenteils auch in Studierendengremien und aktivistischen Gruppen wie „Extinction Rebellion“ für Klimagerechtigkeit einsetzen. Um das Thema Nachhaltigkeit an die JLU zu bringen, sammelte SFF vergangenen Juli bei der Nachttanzdemo in Gießen Ideen der Studierenden, aus denen die Gruppe einen Forderungskatalog erstellte, der bei einer Vollversammlung vorgestellt werden sollte.

Am 28. November 2019 fand ebendiese Vollversammlung statt. Anwesend waren drei Sprecher von Students for Future und dem AStA, unter ihnen auch Magnus – aber nur 40-50 Studierende. Das Ziel der vom AStA ausgerufenen Versammlung war, den Studierenden Forderungen für eine nachhaltige Universität vorzustellen, die danach an das Studierendenparlament, an den AStA, sowie an das Präsidium der JLU getragen wurden. Teilnehmende konnten Kritik an den Forderungen ausdrücken, diskutieren, sowie am Ende über die verschiedenen Themengebiete abstimmen. Obwohl durchaus angeregte Diskussionen entstanden, zeigt sich Magnus etwas enttäuscht über die geringe Anwesenheit der Studierenden. „Wir haben […] per Mail alle Studierenden eingeladen, jeder hätte also kommen können.“ Dass die geringe Beteiligung möglicherweise auch an den in diesem Zeitraum stattfindenden Busstreiks und dem daher schwieriger zu erreichenden Veranstaltungsort am NaWi-Campus lag, ist gut möglich. Ein weiteres Problem, das Magnus bemängelt: die fehlende Unterstützung der Universität. Dass ihnen, trotz den schon länger bekannten Plänen zu der Versammlung, erst einen Tag vor dem geplanten Datum ein Raum zugeteilt wurde, sei für Magnus eine klare Botschaft. Den abgelegenen und runtergekommenen Hörsaal im alten Chemiegebäude habe kaum jemand gefunden, zunächst nicht einmal die Gruppe selbst.

Die Vollversammlung am 28. November. Volles Haus sieht anders aus. (Foto: David Hopper)

Der finale Forderungskatalog hatte es jedoch trotzdem in sich. Unter der Hauptforderung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit zur Priorität jedes universitären Handelns zu erklären, solle sich die JLU mit der Fridays for Future-Bewegung solidarisieren, ein gesondertes Klimaschutz- bzw. Nachhaltigkeitsbudget einrichten und mehr öffentliche Veranstaltungen zur drohenden Klimakatastrophe organisieren. Eine der Kernforderungen der Vollversammlung ist zudem, wenig überraschend, eine „radikale Verkehrswende“, also ein drastischer Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und eine Senkung des Individualverkehrs. Ganz konkret heißt das: In Universitätsnähe fast ausschließlich kostenpflichtige Parkplätze – sowohl für Mitarbeiter als auch für Studenten – sowie eine Senkung der in der Stellplatzsatzung festgeschriebenen Quote von einem Parkplatz pro drei Studenten auf einen Parkplatz pro zehn Studenten.  Auch der fleischlastige Mensaspeiseplan soll einer Generalüberholung unterzogen werden: So sollen alle Lebensmittel künftig dem Bio-Standard entsprechen und nur noch regional und saisonal eingekauft werden, das Fleischangebot in den Mensen zudem auf ein bis zwei Tage in der Woche reduziert werden. Dass solch ein Forderungskatalog stellenweise recht radikal anmutet, weiß auch Magnus selbst. „Das werden wir mit Sicherheit nicht alles umsetzen können. Gleichzeitig schaffen wir uns so aber einen gewissen Verhandlungsspielraum.“

Magnus (ganz rechts) übt während der Demo scharfe Kritik an der Klimapolitik der JLU. (Foto: Jonas Brehm)

Und die Univerwaltung? Müsste an Forderungskatalogen und Umweltmaßnahmen eigentlich höchst interessiert sein. Schließlich hat man sich im Rahmen der „CO2-neutralen Landesverwaltung“ bereits 2009 dazu verpflichtet, im Jahr 2030 klimaneutral zu sein und damit die Ziele von Stadt (2035) und Land (2050) um Längen überboten. Zur Umsetzung bleiben also lediglich 10 Jahre übrig. „Wirklich passieren tut aber nichts“, kritisiert Magnus. Auch die viel propagierte Beziehung von Ökostrom sei keine freiwillige Maßnahme, sondern eine Vorgabe für Landesinstitutionen; vielversprechende Ideen wie die chronisch kaputten „Nextbikes“ würden an der Umsetzung scheitern. Eine Anfrage des Universums zu konkret formulierten Klimazielen der JLU blieb auch Wochen nach dem Serverchaos unbeantwortet.

Es scheint also, als ob das Engagement der Fridays for Future-Bewegung auch an der JLU bitter nötig ist. Ob die Students for Future von der Univerwaltung wenigstens ernst genommen werden? Magnus überlegt. „Eigentlich nicht“.

David Hopper
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