Bildredakteur Kevin Mertens über Entwicklungen und Perspektiven des „Visual Journalism“.

Bestechend scharfe Fotos, anschauliche Grafiken, automatisch startende Videos und spektakuläre Drohnenperspektiven in nur einem Beitrag – das ist der Journalismus der Zukunft. Unter dem Titel „The Report Needs to Become More Visual“ sprach Bildredakteur Kevin Mertens als erste „Stimme aus der Praxis“ im neuen Jahr über aktuelle Entwicklungen im „Visual Journalism“ und das veränderte Anforderungsprofil an künftige Journalisten.

Große Teile der weitreichenden journalistischen Entwicklungen hat Mertens dabei bereits selbst miterlebt. So arbeitete er nach seinem Studium der Fotojournalistik bereits in mehreren Redaktionen, unter anderem bei der Wochenzeitung „Der Freitag“ oder der „TAZ“, und war 2010 an der Gründung des Online-Fotomagazins „emerge-mag.com“ beteiligt. Neben seiner Beschäftigung als Dozent ist Mertens mittlerweile als Bild-Producer für die Nachrichtenorganisation „Deutsche Welle“ tätig.

Visual Storytelling

Anhand aktueller Beispiele erläuterte er dem versammelten Publikum den rasanten Prozess vom simplen Illustrieren journalistischer Texte hin zum visuellen Erzählen investigativer Stories, in denen nicht länger der Text, sondern optische Elemente im Zentrum stehen. Während Printtexte noch vor wenigen Jahren lediglich in den Internetauftritt übertragen worden seien, würden die Online-Formate heute, bedingt durch den stetig ansteigenden Leseranteil, aufwendig eigenproduziert.  Obwohl vor allem englischsprachige Medien wie die „New York Times“, „The Guardian“ oder die „Washington Post“ bereits seit Jahren neue Maßstäbe setzen, hängen deutsche Veröffentlichungen der Entwicklung oft noch hinterher.

Aufgrund der anhaltenden Tendenz, Nachrichten primär über das Smartphone zu verfolgen, bewegen sich die letzten Entwicklungen vor allem in Richtung des „Mobile Journalism“. Dabei lehnen sich die Angebote laut Mertens inzwischen besonders stark an die Sehgewohnheiten der jungen Generation an. Neue Formate, in etwa die vor allem mit Instagram verbundenen Slideshows, sind daher auch im Online-Journalismus immer öfter zu beobachten.

Veränderte Anforderungen an Online-Journalisten

Parallel zu den veränderten Lesegewohnheiten unterliegt daher auch der Beruf des Online-Redakteurs einem ständigen Wandel. Die „traditionelle Aufteilung in Bild- und Textredakteure“ weiche laut Mertens immer mehr auf, journalistische Werke entstünden mithilfe digitaler Redaktionssysteme in enger inhaltlicher Zusammenarbeit. Die veränderten Arbeitsgewohnheiten  wirken sich in der Konsequenz auch auf das Anforderungsprofil an junge Online-Journalisten aus: Wie Mertens wiederholt betonte, sind neben klassischen journalistischen Kernkompetenzen mittlerweile auch immer tiefergehende Visualisierungs- und IT-Kenntnisse, wie die Beherrschung einer Programmiersprache oder Grundkenntnisse der Datenanalyse, gefragt.

Die anschließende Diskussion drehte sich neben allen ersichtlichen Vorteilen des „Visual Journalism“ auch um mögliche Risiken. Ob durch zunehmende Visualisierungsmöglichkeiten auch die Themenauswahl auf Kosten vermeintlich langwierigerer, struktureller Themen beeinflusst werden würde, wurde dabei genauso diskutiert wie die Zukunft textlastigerer Leseformen, den sogenannten „Long-Reads“. Kevin Mertens stellte jedoch parallel zum Trend, Nachrichten nur noch über Bilder und Überschriften aufzunehmen, eine Gegenbewegung fest. So würden sich immer mehr Leute bewusst für längere und recherche-intensivere Textformen entscheiden. Visuelle Darstellungsformen böten zudem die Möglichkeit, komplexe Themen aufzulockern und dadurch auch größeren Zielgruppen zugänglich und attraktiv zu machen.

David Hopper
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